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Wegschauen ist der einfachere Weg...

Ja ich weiß, auch ich erfülle seit neuestem das typische Klischee einer Volontärin, die sich vornimmt einen Blog zu schreiben. Die ersten paar Wochen werden regelmäßig und fleißig Einträge verfasst, aber irgendwann erreichen die meisten den Punkt, an dem sie vergessen bzw. nicht mehr so oft Zeit finden, sich für einen Moment hinzusetzen, um die Gedanken zu sammeln und das Erlebte niederzuschreiben. Ihr werdet bestimmt bemerkt haben, dass es bei mir die letzten zwei Wochen nicht anders verlaufen ist und euch bestimmt fragen: „Wieso ist das so, liebe Anna?“.


Zu allererst darf ich mich auf die schlechte Internetverbindung in der letzten Woche ausreden. Über Äthiopien ziehen nämlich vermehrt Gewitterwolken und es kommt wirklich jeden Tag zu heftigen Regengüssen und Unwettern. Stromausfälle und somit auch kein Internet sind die Folge. Es kann also durchaus vorkommen, mehrere Tage komplett auf Whatsapp, Facebook, Instagram und weitere Apps verzichten zu müssen. Zu meinem Erstaunen finde ich es allerdings ziemlich angenehm, von Zeit zu Zeit total abgeschottet von der Außenwelt und von Zuhause zu sein. Man ist dadurch gezwungen, sich anderweitig zu beschäftigen. Außerdem ist man um einiges kreativer und motivierter neue Ideen zu sammeln und Pläne durchzusetzen, da der Kopf, ohne Einfluss von Socialmedia, wieder etwas klarer denken kann.


Neben der Internetgeschichte ist auch mein relativ durch- und ausgeplanter Tagesablauf mit Schuld an der Tatsache, dass ich nicht mehr ganz so viel Zeit für meinen Blog finde. Um 6:15 werde ich von den sanften Tönen meines "geliebten" Weckers geweckt, denn für uns heißt es: fertigmachen und ab zur Messe. Jeden Tag um 6:45 wird Gottesdienst in der Don Bosco Kirche gefeiert. Um ehrlich zu sein war es für mich zu Beginn etwas seltsam, wirklich jeden Tag in die Kirche zu gehen, aber man gewöhnt sich daran. Außerdem kann man die Zeit gut nutzen, um seine Gedanken freien Lauf zu lassen, über sich selber und den kommenden Tag nachzudenken und somit ein kleines Stückchen näher zu sich selber zu finden und sich besser kennenzulernen.


Ich meine, noch nicht erwähnt zu haben, dass die Amtssprache im Vergleich zu Sambia in Äthiopien nicht Englisch, sondern Amharisch ist. Somit fällt es um einiges schwerer, mit den Menschen, vor allem mit den Kindern, zu kommunizieren. Zwar wird bereits im Kindergarten versucht, ihnen das englische Alphabet, die Zahlen und einfache Wörter wie „Apple“ und „Cup“ näherzubringen und anschließend wird in den Schulen am Ausbau der Wörter und Sätze gearbeitet. Allerdings reichen ihre Kenntnisse meist nicht aus, um ein gutes und langes Gespräch führen zu können.

Ein Weiterer nennenswerter Punkt ist, dass sich Äthiopien im Moment im Jahre 2010 befindet, es auch nicht November, sondern Februar ist und das Jahr nicht aus zwölf, sondern dreizehn Monaten besteht. Denn hier wird nach dem Julianischen Kalender gerechnet.


Da Magda und ich ja nicht 24 Stunden mit Arbeit eingedeckt sind und wir unsere Nachmittage großteils selber gestalten dürfen, ist es uns ein Anliegen, Dilla und generell Äthiopien besser kennen zu lernen und zu entdecken. Da trifft es sich ziemlich gut, einen slovenischen Volontär, der die deutsche Sprache relativ gut beherrscht, als Nachbarn zu haben. Nicht nur, dass wir uns einfach so zum quatschen treffen können, nein, wir konnten dank ihm auch weitere Projekte der Don Bosco Brüder kennenlernen. Unter anderem führte er uns durch ihr Schulgelände und zeigte uns die neue Elementary School, die sich im Moment noch im Bauprozess befindet. Ganz besonders froh bin ich darüber, dass er uns mit dem "Feeding Centre" vertraut gemacht hat. Darunter kann man sich ein mehr oder weniger großes Gebäude vorstellen, in dem jeden Tag zu Mittag Essen und Trinken für Kinder, die sonst nichts zu essen hätten, ausgegeben wird. Gute 300 Kinder haben das Glück, zumindest eine warme Mahlzeit am Tag zu erhalten. Auch wenn es jeden Tag das selbe gibt: Brei und Gemüsesuppe. Aber das stört die Jungs und Mädels kaum. Sie sind einfach nur dankbar und froh, sich zumindest ein wenig den Magen füllen zu können.


Wir halfen also bei der Essensausgabe, verteilten Teller, sammelten diese anschließend wieder ein und spülten das Geschirr. Es war für mich von großer Bedeutung zu sehen, wie sehr die Kinder, die großteils nur aus Haut und Knochen bestehen, das Essen schätzen. Wie dankbar sie waren. Trotz Armut und Hunger verlieren diese Kinder, von denen man genau weiß, dass sie keine rosige Zukunft haben, ihre Lebensfreude und ihren Mut nicht. Richtige Helden die Kleinen. Richtige Vorbilder.


Wir, zumindest der Großteil der Österreicherinnen und Österreicher, haben ausreichend zu essen, werfen aber irrsinnig viel davon weg, nur weil beispielsweise das Brot nicht mehr frisch, der Apfel nicht makellos, oder das Fleisch nicht gut genug ist. Immer stärker wird mir bewusst, in welch einer irrsinnigen Wegwerf-Gesellschaft wir uns teilweise in Europa befinden. Ob es sich nun um Nahrungsmittel, Kleidung oder technische Geräte handelt. Oft will man nur das Beste, das Tollste und das Neuste haben. Sobald es nicht mehr modern oder gut genug ist, wird es entsorgt, weggeworfen. Dass es allerdings am selben Planeten Erde Menschen gibt, die zum Teil nicht einmal ein Dach über den Kopf geschweige denn Anziehsachen haben und jeden Tag aufs Neue hoffen und bangen müssen, irgendwo Essen auftreiben zu können und sauberes Wasser zu finden, wird dabei von manchen völlig vergessen und ignoriert. Solange ich nicht direkt mit der Armut und mit dem Elend konfrontiert bin, es nicht vor meiner Haustüre passiert, kümmert es mich nicht, was mit den Menschen ist. Ist ja immer alles viel zu weit weg. Es betrifft mich ja nicht. Geht mich ja nichts an. Hauptsache mir geht es gut. Hauptsache meine Bedürfnisse und Wünsche werden gestillt, Ist ja schließlich nicht mein Leben. Ist ja auch der einfacher, leichtere und gemütlichere Weg, einfach wegzuschauen. Wäre ja viel zu anstrengend etwas zu verändern. Sich für jemanden oder etwas einzusetzen. Da lebe ich lieber mein Leben weiter.

Hoffen wir nur, dass es uns nicht einmal ähnlich ergehen wird und wir es sind, die auf Hilfe angewiesen sind. Denn ob du gibst oder nimmst suchst du dir nicht aus. Genauso wenig dein Herkunftsland.


Bis bald!


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