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Ganz normaler Kindergartenalltag

Diese Woche hat in unseren Kindergärten der Nachmittagsunterricht für die dritten Klassen begonnen. Das heißt, unser Tagesplan hat sich etwas verändert und es gibt nun mehr zu tun. Bevor ich allerdings genauer darauf eingehe, werde ich euch kurz schildern, wie mein Kindergarten überhaupt aufgebaut ist bzw. wie so ein Kindergartentag abläuft, denn man kann ihn in keinster Weise mit dem in Österreich vergleichen.


Ich habe bereits in einem meiner Einträge erwähnt, dass sich in meinem KIGA 360 Kinder, die von zwölf Lehrerinnen betreut und unterrichtet werden, befinden. Die Jungs und Mädchen werden je nach Alter in die verschiedenen Klassen eingeteilt. Insgesamt sind es sechs Klassen mit jeweils 60 Kindern. Zwei Klassen für die Vierjährigen, zwei für die Fünfjährigen und zwei für die "Großen", also die Sechsjährigen. Es liegt an zwei Lehrerinnen, 60 Kinder auf einmal zu bändigen, ruhig zu halten und ihnen einfache Rechenaufgaben, englische Wörter wie "Car" und "Banana" und Lieder beizubringen. Dabei wird großer Wert auf das laute und gemeinsame Wiederholen der Buchstaben, Zahlen und Wörter gelegt. Zu Beginn war es etwas anstrengend umgeben von 60 laut schreienden Kindern zu sein, aber mittlerweile habe ich mich und haben sich meine Ohren daran gewöhnt.


Kindergartenbeginn ist um 8:00 Uhr morgens. Für eine gute Stunde werden im Schulhof je nach Wochentag verschiedene Übungen und Aktivitäten durchgeführt. Neben Sing- und Marschierübungen, werden auch Gemeinschaftsspiele gespielt oder Wettkämpfe abgehalten. Nachdem anschließend gemeinsam gebetet und von einem Kind die äthiopische Flagge zur Nationalhymne gehisst wird, begeben sich die Kinder marschierend in die jeweiligen Klassenzimmer, wo sie bis 10:15 Uhr unterrichtet werden. Danach geht es in ihre wohlverdiente Pause, in der den Kindern Saft und kleine Brötchen, die täglich frisch in der Backstube der Schwestern gebacken werden, ausgeteilt werden. Sobald die Kinder fertig mit dem Jausnen sind, geht es ab zum Spielen. Besser gesagt ab zur Anna, um sich an ihren Händen, Armen, Beinen und an ihrem T-Shirt festzuklammern. Oftmals ist es ihr nicht mal mehr möglich, sich ordentlich fortzubewegen, da sie umgeben von kleinen Kindern wird. Es kann hin und wieder vorkommen, dass sie sogar das Gleichgewicht verliert und samt Anhang zu Boden stürzt.


Ich verbringe also die Pausen singend, tanzend und spielend mit den Kindern und ich liebe es! Es gibt doch nichts Schöneres, als Zeit mit den Kids zu verbringen, sie lachen zu sehen und sich mit ihnen zu unterhalten. Zwar verstehen sie meist nicht, was ich von ihnen will bzw. was ich ihnen erzähle, aber dennoch schaffen wir es irgendwie, miteinander zu kommunizieren. Man muss sich eben mit Händen und Füßen ausdrücken. (Oder im besten Fall vielleicht einmal die Sprache lernen...)


Ein großer Nachteil an der riesigen Anzahl an Kindern ist, dass es mir nicht möglich ist, individuell auf jedes Mädchen, auf jeden Jungen einzugehen, um sie besser kennenzulernen und für jeden einzelnen da zu sein. Ich habe das Gefühl, dass es für sie von großer Bedeutung und Notwenigkeit wäre, Zuneigung und Liebe erfahren zu dürfen, denn oftmals können ihnen ihre Eltern ein Gefühl von Geborgenheit nicht allzu gut vermitteln. Es ist so berührend zu sehen, was nur eine einzige Umarmung, eine einzige Berührung Positives in ihnen auslöst. Welch große Freude man ihnen damit machen kann.


Leider ist Eifersucht im Kindergarten ein großes Thema. Viele gönnen den anderen nichts. Wollen nicht teilen. Aber auch irgendwie verständlich, wenn man bedenkt, dass sie kaum etwas besitzen und großteils in Armut und in einfachen Verhältnissen leben. Jeder will meine Aufmerksamkeit, meine Hand berühren, von mir umarmt werden. Da kann es schon einmal passieren, dass die Fäuste fliegen, wenn jemand keinen Platz neben mir findet, oder mich nicht angreifen kann.


Um 11:00 Uhr endet schließlich die Pause und der Unterricht geht weiter. Meine Aufgabe ist es, die Lehrerinnen beim Unterrichten zu unterstützen, Mathe- und Englischhausaufgaben zu korrigieren und zu verbessern, den Kindern bei den Übungen zu helfen und bin für alles andere, was so anfällt, wie Übungen in den Heften vorschreiben, Stifte spitzen und und und, zuständig. Gegen 12:00 Uhr endet dann der Kindergarten für die ersten und zweiten Klassen.

Die Älteren dürfen sich an Extrastunden am Nachmittag erfreuen. Bis halb zwei haben sie Zeit, ihre von Zuhause mitgebrachte Jause, meistens Reis oder das Nationalgericht Injera, zu verspeisen. Das ist auch die Zeit, in der ich ein kurzes Päuschen einlegen darf. Anschließend folgt für eine Gruppe eine Computereinheit, für die anderen Mathe, Englisch oder Amharisch. Um drei Uhr endet der Tag im Kindergarten und für mich geht es dann mit meinem persönlichen Taxifahrer, der so nett ist und mich jeden Tag in der Früh zum KIGA bringt und wieder abholt, zurück zum Compound.

Im Moment laufen auch die Vorbereitungen für die im Jänner (in unserer Zeitrechnung) stattfindende Weihnachtsfeier in den Kindergärten. Es ist Magda's und meine Aufgabe, alles zu organisieren und durchzuplanen. Denn es müssen ja schließlich alle 500 Kinder (beide KIGA's feiern gemeinsam) miteinbezogen und gut vorbereitet werden. Einfacher gesagt als getan. Hauptproblem: Sprache!

Nicht so einfach, den Kindern die Lieder und Tanzschritte beizubringen, wenn sie kein Wort Englisch verstehen und sie einem mit ihren süßen Äuglein fragend anschauen. Gut, dass wir noch zwei Monate Zeit haben, die Texte und Tänze zu perfektionieren und auswendig zu lernen...


Da es uns ein Anliegen ist, die Kindergartenanlage auch weihnachtlich zu dekorieren, haben wir begonnen, Sterne in den verschiedensten Größen und unterschiedlichsten Gelbtönen auszuschneiden. Weiters haben wir weißes Papier mit Wasserfarbe besprenkelt, um daraus Buchstaben, die die Wörter "Merry Christmas" bilden sollen, auszuschneiden und aufzuhängen. Das war vielleicht eine Aktion! Bist du g'scheit!

Perfekt um angestaute Aggressionen und Wut loszuwerden. Es wirkt Wunder, den Pinsel zu schwingen und mit Farbe wild herumzuspritzen! Man ist anschließend um einiges entspannter und fühlt sich befreiter. Blöd nur, dass der Boden darunter leiden musste. Aber alles safe: Der Saustall und unsere Wut sind weg!


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